Die Blumen des Schmerzes by Yovanoff Brenna

Die Blumen des Schmerzes by Yovanoff Brenna

Autor:Yovanoff, Brenna [Yovanoff, Brenna]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-29T16:00:00+00:00


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DER TRAUM

Die Fenster meines Zimmers im Arlington sind so verdreckt, dass ich ein Guckloch in den Schmutz reiben muss, um nach draußen sehen zu können. Ich weiß nicht, wonach ich suche. Nach Ungeheuern vielleicht. Dem skrupellosen Schwesternmörder. Die Straße unter mir ist voller Taxis.

Als ich mich umdrehe, steht Truman immer noch in der offenen Tür und mustert die abblätternde Tapete und die staubigen Möbel. Er wirkt wenig begeistert. »Du wohnst in einem Stundenhotel?«

Ich schlüpfe aus meinen Stiefeln und setze mich aufs Bett. »Ich weiß nicht. Was ist denn ein Stundenhotel?«

»Das ist ... ach, schon gut.« Er deutet auf die fadenscheinigen Vorhänge, den Überwurf auf dem Bett und den festgeschraubten Fernseher. »Aber ... sauber ist es hier ja nicht.«

Diese Offenbarung trifft zwar zu, ist aber nicht gerade überraschend. Nichts in Chicago ist sauber. Das Arlington ist nicht schmutziger als die Hälfte der Orte, die ich seit meiner Ankunft auf der Erde gesehen habe, doch Truman scheint es trotzdem zu widerstreben, ins Zimmer zu kommen. Mit verwirrtem Blick steht er an der Tür, als warte er darauf, dass ihm jemand sagt, was er tun soll, aber das weiß ich ja auch nicht besser als er.

»Es ist spät«, sage ich, und als er sich immer noch nicht regt, senke ich den Blick und zupfe am Bettüberwurf. »Vielleicht solltest du heute Nacht hierbleiben. Wenn du willst.«

Eine Sekunde lang steht Truman einfach da und sieht sich um, als denke er über den Teppich und das Bett nach, als zähle er im Geiste alles auf, was dieses Zimmer von seinem eigenen unterscheidet. Dann kommt er rein und drückt die Tür hinter sich zu.

»Ich habe eine Zahnbürste«, sage ich zu ihm, damit er sich vielleicht etwas mehr zu Hause fühlt. »Du kannst sie dir ausborgen, wenn du willst.«

Er sieht mich nur an. Dann lächelt er schwach und schüttelt den Kopf. »Zahnbürsten sind normalerweise nichts, was man sich teilt.«

»Ich weiß. Aber ich habe meine noch nicht benutzt, sie ist ganz neu. Du könntest sie ganz für dich haben.«

»Danke. Klingt gut, vielleicht mach ich das wirklich.« Er fährt sich mit der Hand durchs Haar, sodass es ihm vom Kopf absteht. »Mann, einen Kamm könnte ich wahrscheinlich auch gebrauchen. Ich seh ziemlich fertig aus, oder?«

Zuerst weiß ich nicht, was ich antworten soll. Seine Haare sind zerzaust, aber sauber, und irgendwas an seinen Augen erinnert mich an schmelzendes Eis. Arktischen Frost, der taut. Ich könnte in ihre Tiefen stürzen.

Aber das klingt zu kompliziert und ich will gerade sagen, dass er gut aussieht, als sein Blick auf den Fernseher fällt. »Warum hängt da ein Handtuch über dem Fernseher?«

»Meine –« Ich will schon »meine Mutter« sagen, als mir klar wird, wie albern das klingt. »Nur so. Er hat mich gestört, darum hab ich was drübergehängt. Willst du dir was ansehen?«

Er steht da und beäugt den verdeckten Fernseher, als denke er tatsächlich darüber nach, das Angebot anzunehmen. Dann schüttelt er den Kopf und dreht sich um, zieht den Überwurf mit einem Ruck vom Bett und nimmt sich eins der Kissen. »Ich weiß nicht – heute nicht.



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